SPIELERFRAU – Mein Freund, seine Konsole und ich (Teil 2)

SPIELERFRAU – Mein Freund, seine Konsole und ich (Teil 2)

von am 16.07.2017 - 19:00

Krautgaming präsentiert euch eine Kolumne der etwas anderen Sorte. Ja, liebe Leute ! Stefanie Braun hat ihren Freund als Testsubjekt verwendet und unter Beobachtung gestellt und wird in unserer brandneuen Reihe über ihre Erkenntnisse berichten… Viel Spaß !   ?

Teil 2: „Guck!“

von Stefanie Braun

Warum es so verdammt schwerfällt hinzugucken…

Wer hat es nicht schon mal gehört? Das eine Wort, das uns aus den interessantesten Gedankenspielen herausreißt. Das uns den roten Faden in Tagträumen kostet. Das sofort Vorurteile, abschätzige Gedanken und ein Gefühl von genervter Unlust in uns wachruft:

„Guck!“

Natürlich gibt es da auch noch leichte Abwandlungen: „Guck/Schau (doch) mal!“, Das MUSST du dir jetzt aber ansehen.“, „Schau mal, das ist jetzt DER Turn im Spiel.“, „Pass mal auf. Pass jetzt mal auf!“

Die Situation sieht meist folgendermaßen aus: Er ist mitten im Spiel, sie ist mitten in ihrer Facebook-Timeline/ in ihren Chats mit Freunden/ in ihrem Buch versunken/beim Stricken/Nasebohren/Löcher in die Luft starren. Eines ist auf jeden Fall klar: Sie ist beschäftigt. Dem Spieler scheint das in seinem Marsch durch Phantasiewelten nicht aufgefallen zu sein. Auf jeden Fall ist er zu dem Schluss gekommen, dass das, was da auf dem Bildschirm passiert, auf jeden Fall sehenswert und in gar keinem Falle zu verpassen ist. Also: „Guck!“

Das alles wäre ja gar nicht so tragisch, wenn das Wort alleine nicht schon die niedersten Gefühle in uns wachrufen würde. Ein Wort, das in derselben Lustskala rangiert wie „Aufstehen!“, „Schule!“, „Zimmer aufräumen!“ und „Telefon!“( wenn man gerade mit nassen, shampoonierten Haaren kopfüber in der Badewanne hängt). Ein Wort also, bei dem sich die Zehennägel nach oben rollen, die Nackenhaare zu Dreadlocks zusammenfranseln und  die Augen bis weit in die Höhlen zurückrollen. Wer es jetzt unter allen Umständen darauf anlegt, niemals wieder von diesem ungeliebten Wörtlein aus den Gedanken gerissen zu werden, der kann natürlich zu drastischen Mitteln greifen: absolutes Unverständnis und knallhartes Desinteresse offen kundtun und dabei noch ein niederschmetternden Satz wie „Sorry, Schatz, aber ich hab hier wirklich wichtigeres zu tun als dein Spiel da“ feuerbereit haben sind schon mal ein guter Ansatzpunkt, damit ihm die Lust vergeht, einen nochmal stören zu wollen. Wirksam könnte auch ein  „Boah ey, und dafür hab ich jetzt das Katzenvideo auf Facebook nicht zu Ende geschaut? Das dauert jetzt wieder eeewiiig bis das neu geladen hat“ sein. Der Rundum-Vernichter ist aber: „Jetzt ernsthaft…? DAS wolltest du mir so dringend zeigen?“ Hierbei auf jeden Fall eine Schnute ziehen und das Augenbrauen hochziehen nicht vergessen. Oder gleich mit den Augen rollen. Macht direkt sympathisch sowas.

Außerdem hebt es die Stimmung an so `nem ruhigen Abend auf der Couch. Der Partner wird es sich auf jeden Fall dreimal überlegen, ob er einen irgendwann nochmal mit seinem wichtigen Spiel aus den eigenen Gedanken reißen wird. Aber als kleiner Warnhinweis: Vielleicht wird er es sich genauso oft überlegen, ob er noch Bock dazu hat, den neuesten Klatsch und Tratsch aus den eigenen sozialen Netzwerken zu hören. Oder ob er einem nochmal seine Meinung zu einem zweideutigen Kommentar im Facebook-Chat geben kann. Oder ob man zusammen das Katzenvideo anschauen mag, wenn es denn mal fertig geladen hat.

Das man sich natürlich nicht jeden Quatsch reinziehen kann, nur damit der Haussegen gerade hängt, ist klar.  Aber jeder hat so seinen Spleen. Seien es besagte Katzenvideos oder Multikills, Schminktutorials oder Waffenupgrades, Urlaubsbilder von alten Klassenkameraden oder neue Landschaften im nächsten Level.   Wir alle haben etwas, das wir ungeheuer wichtig/hübsch/cool und vor allem teilenswert finden. Weil es uns begeistert, etwas über uns und unsere Interessen, Sehnsüchte, Wünsche und Träume aussagt. Dass Sehnsüchte, die über Katzenvideos gestillt werden, nicht dieselben sind, wie die, die von Egoshootern zehren, leuchet ein.

Und wenn wir ehrlich sind, ist nicht das, was wir sehen, das was uns annervt, sondern das, was wir denken: „Warum spielt er so viele Egoshooter? Wie kann man sich stundenlang mit so etwas beschäftigen? Was sagt das über ihn?“ Wahrscheinlich genau soviel wie das Katzenvideo über uns aussagt: Es spricht eben etwas an, aber deswegen überfallen wir nicht gleich ins nächste Tierheim und kaufen uns trölf bis baffzehn Babytierchen. Einmal Video gucken, Aaaaaawwwwwww seufzen und weiter im bisherigen Kontext.

Egal was uns, wann, warum anspricht: Es tut es einfach. Und das Schöne an so einem dauerhaften Sofa-Wohnpartner ist ja, dass man es teilen kann, wenn’s einen überkommt. Wenn das eigene Aaaaaawww alleine allzu sang- und klanglos in der abendlichen Chipstüte verhallt, wenn der Erfolg über das freigespielte Level ohne Siegesgeheul im Kanon einfach nicht genug gewürdigt wird. Es ist eben ein Geben UND Nehmen.

Also wenn’s mal wieder durch den Raum schallt, rote Fäden reißen lässt und sich die Zehennägel so langsam in den Kuschelsocken wieder abgerollt haben, dann kann man ja mal kurz aufschauen. Das Katzenvideo kann ja in der Zeit neu laden, damit man im Anschluss auch gleich was zum Zeigen hat.

… und warum es sich auch inhaltlich lohnt, hinzugucken, gibt es in Teil 3 zu lesen.

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